Wie Sie Ihr Krisenmanagement richtig organisieren
Von John Davison, Geschäftsführer F-24 UK Ltd
Krisenmanagement ist Chefsache, keine Frage. Aber wie schafft man es in einer Krise, den Informationsfluss, Entscheidungskompetenzen und Handlungsabläufe so zu managen, dass das Unternehmen schnell und schlagkräftig agieren kann?
In diesem Artikel erfahren Sie, wie man durch verbindliche Prinzipien und eine klare Arbeitsorganisation eine effiziente Krisenresponse unterstützt. Denn ja, Krisenmanagement ist Chefsache, aber es gilt zu definieren, wer wo und wann der Chef ist.
Die Kernprinzipien des Krisenmanagements
Wenn eine Krise etwas nicht verträgt, dann sind es langwierige Diskussionen und Berichtswege. Hier braucht es schnelle Entscheidungen und konsequentes Handeln. Aber wer trifft die Entscheidungen?
Die vier Prinzipien des Krisenmanagements bilden eine wichtige Grundlage, um zu entscheiden, wo welche Zuständigkeiten innerhalb einer Krisenorganisation liegen sollten. Das Ziel ist es, Wege zu verkürzen und Entscheidungen dort zu treffen, wo Auswirkungen und Situation der Krise am besten eingeschätzt werden können. Anders gesagt: Eine Reputationskrise durch Verleumdung in sozialen Medien sollte woanders bearbeitet werden, als ein Wasserschaden im Rechenzentrum
- Das Prinzip Verantwortung: Die Person, die im Tagesgeschäft einen Bereich verantwortet, ist auch für die Krisenvorsorge und -response in diesem Bereich zuständig.
- Das Spiegelprinzip: Die Krisenorganisation sollte die Organisationsstruktur des Unternehmens bestmöglich abbilden
- Das Prinzip Nähe: Die Krise sollte auf dem organisatorischen Level bearbeitet werden, der der Krise am nächsten ist. Das heißt, ein Brand im Lager sollte nicht vom strategischen Krisenmanagement im Headquarter bearbeitet werden.
- Das Prinzip Zusammenarbeit: Alle Beteiligten tragen Verantwortung für eine bestmögliche Zusammenarbeit aller Akteure.
Die richtigen Informationen an der richtigen Stelle
Die wichtigste Grundlage für gute Entscheidungen sind gute Informationen. Es braucht daher einen stetigen Informationsfluss, um jederzeit – idealerweise in Echtzeit – umfassend im Bilde zu sein. Andererseits sind Menschen von zu vielen Informationen schnell überfordert. „Too much information“ ist in Krisensituationen nicht nur lästig, sondern potenziell sogar gefährlich. Es kommt daher ganz besonders darauf an, die richtige Information an die richtige Stelle zu übermitteln und Überblick zu schaffen.
Was einfach klingt, kann selbst für hochtrainierte Organisationen und bestmöglich ausgebildete Sicherheitsbehörden eine große Herausforderung sein. Die erschreckenden Bilder des 6. Januar 2021 haben dies eindrücklich gezeigt. Als Tausende das Capitol in Washington stürmten, waren die Sicherheitsbehörden überfordert – auch weil die Kommunikation zwischen städtischen und nationalen Einsatzkräften nicht gut abgestimmt war und Entscheidungen nicht oder zu spät getroffen wurden.
Jeder an seinem Platz: schlagkräftig durch Fokussierung
Chaotische Situationen im Krisenmanagement entstehen aber nicht nur in solch außergewöhnlichen Situationen. Häufig sind schlecht vernetzte Strukturen und Standorte eine Ursache für unkoordinierte Krisenreaktionen. Darum hat zum Beispiel der norwegische Flughafenbetreiber Avinor sein zuvor separates, papierbasiertes Krisenmanagement auf ein zentrales Tool mit einer zentralen, leicht zugänglichen Datenbank umgestellt und seine vier großen und 40 kleineren Flughäfen zu einer Organisation zusammengeführt, die in die drei für das Krisenmanagement empfohlenen Arbeitsebenen untergliedert ist. Wie sehen diese drei Arbeitsebenen aus?
Die strategische Ebene:
Hier geht es um die langfristigen Interessen des Unternehmens. Die Verantwortlichen auf dieser Ebene haben die Aufgabe, negative Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit bestmöglich zu minimieren. Die strategische Ebene ist typischerweise im Headquarter verankert. Hier sollte ein eher kleines Team aus Geschäftsführung, Kommunikations- und Bereichsleitern am Tisch sitzen. Meist empfiehlt sich auch, die Rechtsabteilung und eine Person für das Protokoll dabei zu haben.
Die taktische Ebene:
Sie ist die zentrale Koordinationsstelle in einer Krise. Hier sitzen erfahrene Krisenmanager. Auf dieser Ebene werden Alarme ausgelöst und Einsatzkräfte mobilisiert, Krisenpläne aktiviert und alle Aktivitäten überwacht. Die taktische Ebene kann zum Beispiel auf Länder- oder Bereichsebene angesiedelt sein.
Die operative Ebene:
Verantwortliche in diesem Bereich sind mitten im Krisengeschehen. Hier geht es ganz konkret darum, Leben und Werte zu retten und den Auslöser einer Krise zu beseitigen – in der Regel in Zusammenarbeit mit Not- und Rettungsdiensten. Typischerweise agieren in der operativen Ebene Fachleute und Krisenexperten mit Spezial-Know-how. Diese Ebene kann an einem Standort oder einem Zentralbereich angesiedelt sein.
Von der Theorie zur Praxis: Darauf sollten Sie achten
Klingt einfach? Ist es aber nicht immer. Denn ein zentraler Aspekt des Modells ist: die Arbeitsebenen dürfen sich nicht mischen. Um dies in der Praxis gut umzusetzen, achten Sie besonders auf folgende potenzielle Stolperfallen:
Handlungsimpulse: Krisen lösen bei den meisten Menschen einen starken Handlungsimpuls aus. Man möchte aktiv werden und eingreifen. Vor allem Manager sind es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und Teams zu führen. Aber die strikte Nicht-Einmischung in die Aufgaben der jeweils anderen Ebenen ist Voraussetzung, dass dieses Modell funktioniert. Kommunizieren Sie dies klar und bauen Sie das Thema in Trainings und Übungen ein.
Informationsfluss: Es ist oftmals schwierig, den Informationsfluss so zu steuern, dass jede Ebene, die für sie relevanten Informationen erhält, aber bei Bedarf auch auf Detailinformationen aus den jeweils anderen Ebenen zugreifen kann. Spezielle Krisenmanagementsoftware unterstützt dies, indem jede Ebene einen eigenen Workspace einrichten kann, auf den alle anderen Ebenen bei Bedarf zugreifen können. So können bestimmte Mitarbeiter im Krisenmanagement nach Bedarf zwischen „Fokusmodus“ und „Überblicksmodus“ wechseln und die Balance zwischen zu viel und zu wenig Information halten.
Aufbau und Training der Krisenorganisation: Jede Ebene hat besondere Aufgaben. Größe und Training sollte daher jeweils auf die entsprechende Arbeitsebene abgestimmt sein. Strategische Teams beispielsweise haben idealerweise eher klein. In der Regel müssen sie auch seltener trainieren und konzentrieren sich im Training eher auf Planspiele. Die taktischen und operativen Teams hingegen sollten häufiger, intensiv und praxisbezogen geschult werden. Nur wenn jede Ebene nachweislich über das nötige Know-how verfügt, können die Teams der jeweils anderen Ebenen das nötige Vertrauen aufbauen, um im Ernstfall der Versuchung der Einmischung zu widerstehen.
Wenn Sie die Prinzipien des Krisenmanagements berücksichtigen und Ihre Krisenorganisation klar aufbauen, wissen alle Beteiligten, wo Sie im Notfall gebraucht werden – und wo nicht. Obwohl chaotische Situationen in jeder Krise entstehen werden, ermöglichen diese vordefinierten Orientierungspunkte und Prinzipien eine bessere Fokussierung für den Krisenmanager. Selbst die chaotischen Phasen einer Krise werden durch das Befolgen dieses effektiven Krisenmanagement-Prozesses nahezu sorgenfrei überstanden.